Die fliegende Königin
Die Imker-AG hat ein ganz besonderes Jahr hinter sich. Es war ein schweres Jahr und es ist noch nicht überstanden. Das Wetter war über weite Strecken zu trocken, der Nektargehalt der Blüten zu gering. Die Bienen, angestachelt durch eine große Wärme im Frühjahr, teilten sich und schwärmten gerne aus. So vermehrte sich unser Bestand zwar von 2 auf 4 Völker, aber aufgrund des Futtermangels wurden aus 4 Völkern doch wieder 2.
Für die zur Zeit nur 3 Teilnehmer große AG war es eine sehr intensive Zeit. Die Schüler haben viel gelernt, viel bestaunt, viel gelitten und viel Verantwortung gehabt. Sie haben Milben gezählt, Futter nachgefüllt, Ameisensäurebehandlungen durchgeführt, Bienen beobachtet und begutachtet, sowie Eier, Maden und Nymphen. Es wurden Waben entdeckelt, Honig geschleudert und abgefüllt. Viel gäbe es zu berichtet, Trauriges wie Schönes wechselte sich in diesem Jahr ab, wie wir es bisher noch nicht kannten. Aber von einem besonderen Ereignis möchte ich hier berichten.
Es war Anfang September, als uns in den Sinn kam, zwei unserer Königinnen zu markieren, das heißt, sie einzufangen und dann mit einer Farbe zu versehen, die ihr Alter angibt und es ermöglicht, die Königin schneller bei einer Kontrolle ausfindig zu machen. Es ist immer etwas Besonderes, wenn Schüler und Lehrer die Königin erblicken. Nun hatten wir sie gefunden, wie sie inmitten ihres Hofstaates über die Waben krabbelt und fingen sie mit einem dafür vorgesehenen Käfig ein. Langsam wurde sie in diesem Käfig gegen eine Gitterwand gedrückt, um dann von außen mit einem kleinen Pinsel die grüne Farbe aufgetragen zu bekommen; denn die Königin war noch von letztem Jahr und da galt die Farbe Grün. Nun wollten wir sie wieder zu ihrem fleißigen Völkchen geben, da flog diese Königin aus der Beute heraus und verschwand im Himmel. Wir konnten es kaum glauben, weil das Volk nicht in Schwarmstimmung war und eine eierlegende Königin eigentlich, nach unserer bisherigen Erfahrung nicht so einfach losfliegt. Wir waren ziemlich niedergeschlagen und suchten eine ganze Weile die Umgebung und vor allem den Boden nach dieser Königin ab. Irgendwann gaben wir auf, die AG-Stunde war wiedermal zu früh vorbei und wir wussten keinen Rat. Plötzlich entdeckten wir sie auf der Beute des Nachbarvolkes, umringt von einigen Bienen, die ihr wohlgesonnen waren. Behutsam und mit schwitzenden Gesichtern unter den Imkeranzügen, fingen wir sie ein. Doch kaum hatten wir ihr Volk erreicht, um sie diesem wieder zuzuführen, da flog sie zum zweiten Mal davon! Die Aufregung und Enttäuschung lässt sich nur schwer in Worte fassen, doch hatten wir eine Idee: Wir warteten eine Viertelstunde und schauten dann an genau der Stelle nach, an der wir sie das erste Mal gefunden hatten. Und tatsächlich: Sie saß wieder da. Wir konnten sie an ihrem grünen Punkt gut erkennen. Nun fing das Spiel von vorne an: Königin einfangen, Beute öffnen, Königin behutsam zwischen die Rähmchen geben, Königin krabbelt hoch, Königin fliegt zwischen der sich schließenden Beute schnell nach draußen und verschwinden schon wieder...
Zwei Stunden beschäftigte uns nun diese Königin, deren Flügel wir nicht stutzen wollten, weil uns das bisher zu invasiv erschien. Dann aber fanden wir sie zum dritten Mal. Wir fingen sie diesmal in einer Streichholzschachtel. Mit schwitzenden und zitternden Händen trugen wir sie wiedermal zu ihrem Volk. Wir öffneten die Beute und legten die leicht geöffnete Streichholzschachtel so auf die Rähmchen, dass die Königin nur nach unten in die Beute verschwinden konnte. Schnell schlossen wir die Beute und konnten unser Tagwerk wenigstens mit Hoffnung beenden.
Leider muss ich zum Abschluss dieses kleinen Abenteuers noch hinzufügen, dass wir einige Tage später diese Königin bei einer Kontrolle in der Nachbarbeute wiederfanden. Sie wollte doch zu einem anderen Volk, nur war dieses nicht damit einverstanden und tötete sie. Inzwischen haben wir wieder nur zwei Völker und hoffen, dass sie durch den Winter kommen. Auf ein nächstes Jahr.